… ist seit Jahrzehnten unbestritten die weltweit grösste und wichtigste Messe für moderne und zeitgenössische Kunst. Ihr Ruf beruht auf der hohen Qualität und der gleichzeitig einmaligen Vielfalt der ausgestellten Kunst sowie der Internationalität ihrer Aussteller und Besucher — globale Kunst, lokal vereint.
Weniger als eine Handvoll Kunstmessen prägt den Markt: jährlich die Art, dann die Biennale Arte und die documenta alle fünf Jahre. Die anderen grossen und kleinen Ausstellungen sind natürlich nicht minder wichtig, aber doch zweitrangig — in Venedig, Basel und Kassel ist zu sehen, was sicher Gestern, durchaus Heute und vielleicht Morgen als «Kunst» gelten mag —, und ein paar Spitzenauktionen in New York und London überprüfen dann den Tarif. Bis zur nächsten Runde, wenn das Spiel wieder bei Null beginnt …
Nicht jeder Stand — und längst nicht jedes Werk — sind die Reise nach Basel wert (es lässt sich auch über Kunst-Geschmack herrlich streiten), aber stets begegnet man bisher unbekannten Ausdrucksformen bekannter Klassiker der Moderne, und vor allem trifft man hie und da auf Visionen, die unsere Welt, unser menschliches Heute neu, anders, provokativ hinterfragend oder schlicht eigensinnig und damit vielleicht sehr trefflich darstellen. Deshalb ist die Art Jahr für Jahr ein Treff- und Brennpunkt der Kunst und die Reise wert.
Balz Hilt setzte zusammen mit Trudl Bruckner den Grundstein zur Art Basel (Ernst Beyeler war ab der dritten Sitzung dabei), doch er und seine Galerie durften nach der Art 22'91 — btw: mit einer äusserst erfolgreichen HR Giger-Ausstellung — nicht mehr teilnehmen. Weshalb?
Folgend ein Gespräch mit Balz, im Frühling 1997 als «Galerie-Information» (mit der Einladung zur Ausstellung von Margaretha Dubach) an Kunden und Presse versandt. Sicher ist es «Balz-geprägt» und nicht völlig objektiv, andererseits zeigt es Mechanismen des Kunstmarktes auf. Möge das Interview der Transparenz dienen; Einzelheiten liegen bei Bedarf vor.
Balz, wann war die Galerie HILT letztmals an der ART vertreten?
Das war 1991: An der ART 22'91 trat ich mit einer one-man-show von HR Giger auf. Unsere Teilnahme war sehr erfolgreich, der Andrang überwältigend, der Künstler kam beim Publikum — nicht nur beim jungen! — äusserst gut an, man war sogar begeistert: Allein am Sonntag verteilten wir mehr als 4'000 Karten!
… und was geschah dann?
Mit Brief vom 2. September 1991, schrieben mir Lorenzo A. Rudolf und Frau ElHariri im Namen der ART-Messeleitung, der Ausstellerbeirat — das ist die «Zulassungsbehörde» der ART — habe „anlässlich seines Rundgangs darüber entschieden, welche Galerien an die ART 23'92 eingeladen werden können“, und müsse mir leider mitteilen, dass meine Galerie „nicht ausgewählt wurde“ und ich „somit nicht für eine Teilnahme an der ART 23'92“ vorgesehen sei. Damit war ich draussen. Meinen «Antrag auf Wiedererwägung» (also der Rekurs, der nach Vorstellungen des Beirates „mit einem genauen Konzept“ betr. „Künstler, deren Werke und Präsentation“ versehen sein muss …) beantwortete man schroff: Der Beirat habe „beschlossen, an seinem Entscheid festzuhalten“ und meine Teilnahme „nicht in Betracht zu ziehen“, er bedaure sehr, mir „keine besseren Nachrichten übermitteln zu können“, und hoffe auf mein Verständnis …
Womit begründete der Ausstellerrat den Ausschluss bzw. die Nichtzulassung?
Gemäss Reglement sind die Entscheide des Ausstellerbeirates nicht begründungspflichtig. Ich erfuhr mit der Zeit, der Beirat habe HR Giger nicht goutiert, doch kürzlich hiess es (ebenso inoffiziell), die Gestaltung meines Standes sei nicht nach dem Geschmack des Beirates gewesen und habe zur Ablehnung geführt.
Zum ersten Vorwurf: Selbstverständlich muss man Gigers Werke nicht mögen, aber er ist sicherlich einer der international bekanntesten, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schweizer Künstler — an meiner Giger-Ausstellung «Projekte» konnte ich über 2000 zahlende Besucher empfangen! —, seine Anwesenheit an der ART deshalb gerechtfertigt und im übrigen auch mit der Vorstellung einer internationalen Kunstmesse vereinbar, die sich als „unbestrittene Leadermesse für die Kunst des 20. Jahrhunderts“ sieht und den „Anforderungen der Zukunft gerecht“ werden will. War die one-man-show ART-fremd? Erstens trat ich bereits 1970 an der allerersten ART mit einer one-man-show auf, nämlich mit Francis Bott, und zweitens wünschte die ART-Leitung selbst, „wenn irgendwie möglich one-man-shows einzurichten“.
Es bleibt also nur der letzte Einwand: Mein Stand sei schlecht, jedenfalls nicht gut genug bzw. nicht ART-gerecht gestaltet gewesen. Weder habe ich meinen Stand baulich verändert noch sonstwie anti-ART gestaltet, sondern er war genauso ein typischer HILT-Stand wie an allen anderen ART. Jahrelang hatte daran niemand etwas auszusetzen: nicht die Messeleitung, nicht der Beirat, geschweige denn die Besucher. Darum sage ich, die Ablehnung meiner Galerie sei rein persönlich gefärbt und deshalb willkürlich.
«Art 22'91 HR GIGER/HILT — one man-show», 1991, 14.9 x 10.5 cm
Kann sich denn eine abgewiesene Galerie gegen einen solchen Zulassungsentscheid wehren?
Das hat sich in den letzten Jahren mehrmals geändert. Lange bestand der 1973 gegründete Ausstellerbeirat aus einem guten Dutzend Galeristen, die Dank ihrer Verschiedenheit Gewähr boten für eine breite, offene und dennoch qualitativ hochstehende Auswahl der ART-Teilnehmer. Obwohl ab 1974 aus Platz- und Qualitätsgründen Zulassungsbeschränkungen nötig wurden, führte man keine Rekursinstanz ein, was jedoch kaum zu Beanstandungen Anlass gab.
1991 traten Trudl Bruckner und Ernst Beyeler zurück — mich hatte man während meiner Zürcher Zeit bereits ohne Mitteilung verabschiedet —, und vieles änderte sich. Für die ART 23'92 konnte man zwar einen sog. «Antrag auf Wiedererwägung» stellen, doch landete der wiederum auf demselben Tisch, beim Ausstellerrat, der diesmal endgültig entschied. Eine solche Rekursmöglichkeit ist fragwürdig und trügerisch.
1995, also für die ART 27'96, wurde dem Beirat (der sich zwischenzeitlich in «Exhibitor's Admission Board» umbenannt hatte) ein beratendes Organ der Messeleitung, die sog. «ART Commission» beiseite gestellt; als Rekursinstanz sollte sie die Entscheide des Boards auf Willkür prüfen. Anscheinend klappte die Machtaufteilung schlecht, denn bereits für die diesjährige ART 28'97 ist der fünfköpfige Beirat (neuerdings heisst er «ART Committee») wieder allein zuständig, er trifft seine Zulassungsentscheide endgültig und nicht begründungspflichtig.
Ein pikantes Detail: Meine Galerie wurde für die ART 27'96 abgelehnt, doch setzte man sie auf die sog. «Warteliste», und dies ist gem. einem Schreiben von L.A. Rudolf „generell ein Zulassungsentscheid“ — geschah dies wegen meines Rekurses bei der ART Commission? Ich staunte nur kurz, als man mir auch die Teilnahme zur ART 28'97 verweigerte, für die „Unvermeidbarkeit derartiger Entscheide“ um Verständnis bat und das Wort «Warteliste» gar nicht mehr erwähnte: Das sog. ART Committee durfte ja nun wieder allein und endgültig entscheiden …
Vielleicht erfüllt deine Galerie die Voraussetzungen nicht, damit sie an die ART zugelassen werden kann?
Laut heute geltendem Reglement sind dies ausschliesslich „Galerien und Kunsthändler, die in eigenen Geschäfsträumen regelmässig öffentliche Ausstellungen durchführen.“, wobei die Zulassungsbedingungen sogar „in bestimmten Fällen gelockert und Ausnahmen in beschränkter Form gewährt werden“ können (früher schrieb man eine Mindest-Geschäftstätigkeit von zwei oder drei Jahren vor).
Mich dünkt, mit meiner über 40-jährigen Tätigkeit als Galerist, mit der Liste der Künstler, die ich in bisher rund 250 Ausstellungen gezeigt habe, und mit meinem jahrzehntelangen Einsatz für die Kulturstadt Basel erfülle ich die Zulassungsbedingungen ohne weiteres.
Etikette, frühes Logo der Galerie HILT (ca. 1960), 4.1 x 5.2 cm
Die Galerie HILT meldete sich seit 1992 jährlich, aber vergebens zur ART an. Möglicherweise genügten die vorgeschlagenen Künstler nicht dem ART-Niveau?
Über Kunst und Qualität lässt sich bekanntlich trefflich streiten. Tatsache ist: Für die letzten drei ART schlug ich vor die Künstler HR Giger, Germain Van Der Steen — immerhin widmet das Kunstmuseum des Kantons Thurgau in der Kartause Ittingen diesem art brut-Künstler ab kommenden September eine grosse Ausstellung, und notabene werden die gezeigten Werke grösstenteils Leihgaben aus meinem Besitz sein —, James Harte, Paul Wunderlich und Otmar Alt. Für die diesjährige ART trat ich an mit dem Thema «art brut — Zwischen Genialität und Wahnsinn» (Van Der Steen, Hans Krüsi und weitere Gugginger Künstler) sowie als Alternative mit einer grossen Ausstellung von Sonja Sekula. Selbst wenn die genannten Künstler nicht den Geschmack des Beirates treffen sollten, so kann man doch kaum der Meinung sein, «meine» Künstler seien ART-unwürdige Nebenerscheinungen.
Tatsache ist, ich wurde jedesmal abgelehnt. Weshalb? Ich weiss es nicht. Die Leitung der ART wiederholt jahraus jahrein, dass sie ihre Absage bedaure — soll ich das wirklich glauben? —, und sie „hofft auf mein Verständnis“ — wie soll ich etwas verstehen, das nicht nur für mich völlig unverständlich ist?
Du hast dich zwar noch nie so scharf und unmissverständlich über dieses Thema geäussert, doch warst du stets unbequem und hast deine kritische Meinung zur ART und der Messe Basel nie still geschluckt. Wäre es vielleicht gescheiter gewesen, wenn du deine Kritik für dich behalten hättest?
Möglicherweise wäre es gescheiter, doch sicher nicht besser gewesen! Ich bin überzeugt, dass man mit der ART eine wohlgesinnte, aber kritische Auseinandersetzung pflegen muss — der ART zuliebe! Sonst wird sie austauschbar, mit der Zeit belanglos, das führt zum Niedergang dieser einst unbestritten bedeutendsten Kunstausstellung, und das wäre nicht zuletzt für die Stadt Basel ein grosser Verlust.
Gerade die ART soll eine offene Kunstausstellung sein, geboren aus einem liberalen Prinzip und beispielhaft als demokratisches Modell. Sowohl von der Auswahl der Galerien wie der Kunstrichtungen war sie jahrelang eine Kunstmesse mit internationalen Museumsstücken und gleichzeitig ein attraktives Schweizer Schaufenster mit herausragenden lokalen und regionalen Künstlern, eine Messe, die weltoffen und zugleich in der Kunst- und Galerienlandschaft Basel stark verwurzelt war. Dies erzeugte Spannung, dies war das unverwechselbare Gesicht der ART. Wollen wir das aufs Spiel setzen und verlieren?
Mir ging und geht es nicht nur um die Teilnahme meiner Galerie, es geht mir auch um den Umgang mit anderen abgelehnten, qualitativ guten Galerien, und mir geht es letztlich um die Zukunft der ART. Deshalb brachte ich in den letzten Jahren Vorschläge, wie man diese nicht nur mich befremdende Lage lösen könnte, nämlich z.B. mit einem «Salon des Indépendants» im 2. Stock. Letztes Jahr erlebten wir die alternative Warteck-Messe, und wenn weder die Messe Basel noch der Ausstellerbeirat sich endlich öffnen, sehe ich für die ART mit Standort Basel sehr schwarz.
Der immer angeführte Grund für Ablehnungen ist ja die Überzahl an Anmeldungen. Vielleicht ist Basel genug vertreten, und man braucht die Galerie HILT nicht?
Die ART hat in Basel nur eine Zukunft, wenn sie von Basel, und das heisst auch von Basels Galerien und Kunsthändlern getragen und gefördert wird. In den ersten Jahren war unsere Stadt gut vertreten, heute machen Basels Galerien weniger als 5% der rund 250 Aussteller aus. Meine und auch andere Basler Galerien haben m.E. durchaus ihren Platz an der ART verdient. Wenn hingegen konkursite Galeristen und belanglose Eintagsfliegen zugelassen werden, trägt man weder zur Seriosität der ART noch zum besseren Verständnis der Zulassungsentscheide bei.
Natürlich muss ausgewählt werden, doch soll dies sachlich begründet, liberal und unabhängig von persönlichen Vorlieben erfolgen. Vor allem sollte die Auswahl im Geist der ART geschehen, wie ich ihn vorhin beschrieben habe, dann dient man der ART, der Kunst, dem Kunsthandel und dem Publikum am besten.
Prospekt der ersten ART Basel, 1970 (die Teilnehmerliste);
das Logo wurde gestaltet vom Basler Grafiker Herbert Leupin
Abschliessend ein Blick weit zurück: Von dir hört man, du seiest Mitinitiant der ART gewesen, andererseits wird dein Name zuweilen vergessen (Trudl Bruckner und Ernst Beyeler wurden 1990 zu Ehrenmitgliedern des Beirates ernannt, dich überging man geflissentlich) oder nur nebenbei erwähnt. Erinnerst du dich an die Sitzungen im Sommer 1968 und an die Organisationsstelle der Basler Kunstgalerien?
Den Stempel der Organisationsstelle besitze ich heute noch, doch könnte man mir Vergesslichkeit oder Schönfärberei unterstellen, deshalb will ich zitieren: «Die Hauptinitianten waren Trudl Bruckner und Balz Hilt» (Franz Meyer, früherer Direktor des Basler Kunstmuseums, in der BaZ vom 13.6.89), die ART in Basel «ist das Werk zweier mutiger Galeristen: Trudl Bruckner und Balz Hilt» (Kunst-Bulletin, 6/89), «sie verdankt ihre Existenz Frau Trudl Bruckner und August B. Hilt.» (Maria Netler, Muba News, 6/76). Ernst Beyeler gesellte sich ab der dritten Sitzung zu uns und trug massgeblich dazu bei, dass internationale Galerien sich für Basel und die ART entschieden. Trudl Bruckner und ich waren die Hartnäckigen, Ernst Beyeler der (wichtige) Dritte im Bunde. Die Sitzungsprotokolle zur ART-Gründung liegen mir übrigens vor.
Ich will aber betonen, dass ich nicht aus rührseligen Gründen finde, meine Galerie solle (nach sieben Jahren!) zur ART zugelassen werden. Ich erbringe mit meinen beiden Basler Galerien, mit meinen Ausstellungen, mit dem Echo in der Presse und beim Publikum den für jedermann nachvollziehbaren Beweis, dass es keinen guten Grund gibt, mich Jahr für Jahr von der Teilnahme an der ART auszuschliessen, und dass ich mich zu Recht über die Zulassungspolitik ärgere. Ich will es mir leisten, meinen Unmut auch zu äussern.
Balz, herzlichen Dank für die klaren und offenen Auskünfte.
der BaZ-Aushang vom 23. Oktober 1997
PS (2011/08/04): Interessant sind die Protokolle «Galeristenessen» (16. Mai 1968) und «Galeristenzusammenkunft» (10. Juni 1968; s. besonders Traktandum IV) sowie Balz' Bericht im Basler Magazin (18. Juni 1994).